Lagerhaltung 📦
1. Aufgaben und Ziele der Lagerhaltung
Die Lagerhaltung hat zwei zentrale Zielkategorien:
Sachziel der Lagerhaltung
- Bereitstellung der benötigten Waren/Materialien:
- in der richtigen Qualität
- in der benötigten Menge
- am richtigen Ort
- zur richtigen Zeit
Formalziel der Lagerhaltung
- Minimierung der Kosten für:
- Lagerräume
- Lagereinrichtung
- Lagergüter
- Personal
Zielkonflikt
Zwischen Sach- und Formalziel besteht ein grundlegender Zielkonflikt: Die optimale Bereitstellung (Sachziel) erfordert tendenziell größere Lagermengen, was zu höheren Lagerkosten (Formalziel) führt. Die Herausforderung besteht darin, diesen Konflikt optimal zu lösen.
2. Lagerarten
Die Lagerarten können nach zwei Hauptkriterien unterschieden werden:
2.1 Lagerarten nach der Stellung im Produktionsprozess
-
Beschaffungslager
- Lager vor der Produktion
- Lagerung von Rohstoffen, Materialien und Zulieferteilen
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Produktionslager (Zwischenlager)
- Lager während der Produktion
- Lagerung von Zwischenprodukten und Halbfertigwaren
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Absatzlager (Verkaufslager)
- Lager nach der Produktion
- Lagerung von Fertigprodukten bis zum Verkauf
2.2 Lagerarten nach dem Lagerstandort
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Zentrale Lagerung - Alle Waren des Unternehmens befinden sich an einem Ort (Zentrallager) - Vorteile: bessere Übersicht, effizientere Lagerverwaltung - Nachteile: längere Transportwege zu dezentralen Standorten
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Dezentrale Lagerung - Die Waren des Unternehmens sind auf verschiedene Orte verteilt - Kein Zentrallager vorhanden - Vorteile: kurze Transportwege, schnelle Verfügbarkeit - Nachteile: höhere Verwaltungskosten, schwierigere Bestandsübersicht
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Gemischte Lagerung - Kombination aus Zentrallager und dezentralen Lagern - Flexible Lösung für unterschiedliche Anforderungen
3. Lagerfunktionen
Ein Lager erfüllt verschiedene wichtige Funktionen im Unternehmen:
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Bereitstellungsfunktion
- Die benötigten Materialien und Handelswaren werden zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und in der erforderlichen Menge bereitgestellt
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Sicherungsfunktion
- Die Produktionsbereitschaft wird durch die Möglichkeit, auf gelagerte Materialien zugreifen zu können, sichergestellt
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Ausgleichsfunktion
- Durch Vorratshaltung können Nachfrageschwankungen ausgeglichen werden
- Die Lieferbereitschaft auf dem Absatzmarkt wird aufrechterhalten
- Durch Vorratshaltung können Nachfrageschwankungen ausgeglichen werden
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Überbrückungsfunktion
- Die Zeit zwischen Materialzugang und -verbrauch bzw. zwischen Einkauf und Verkauf von Handelswaren wird überbrückt
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Spekulationsfunktion
- Bei vermuteten Preissteigerungen in der Zukunft können größere Mengen eingekauft und gelagert werden
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Umformungsfunktion
- Halbfertige Erzeugnisse werden durch die Liegezeit im Lager umgeformt (getrocknet, ausgehärtet usw.)
- Vorbereitung für den nächsten Produktionsschritt
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Umweltschutzfunktion
- Lagerhaltung ermöglicht eine Reduzierung der Bestellhäufigkeit
- Dadurch wird das Verkehrsaufkommen und damit der Schadstoffausstoß und Energieverbrauch verringert
4. Lagerkosten und Lagerrisiken
4.1 Lagerkosten
Die Lagerkosten lassen sich in zwei Hauptkategorien unterteilen:
Sachkosten
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Raumkosten
- Miete
- Heizung, Licht, Wasser
- Wartung, Instandhaltung
- Reinigung
- Versicherung des Gebäudes
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Einrichtungskosten
- Abschreibung der Lagereinrichtung
- Instandhaltung der Hilfsmittel (z.B. Gabelstapler)
- Betriebskosten (z.B. Strom, Benzin)
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Kosten der Lagergüter
- Verzinsung des investierten Kapitals (Kapitalbindung)
- Verderb, Schwund
- Diebstahl
- Warenpflege
- Versicherung der Warenbestände
Personalkosten
- Löhne und Gehälter
- Personalnebenkosten (z.B. Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung)
4.2 Lagerrisiken
Durch die Einlagerung von Materialien und Erzeugnissen entstehen verschiedene Risiken:
-
Wertminderungsrisiken
- Verderb: besonders bei Lebensmitteln
- Veralten: technische Geräte durch Innovation
- Unmodern werden: z.B. bei modischen Waren wie Schmuck
- Sinkende Nachfrage: Absatz nur zu niedrigeren Preisen möglich
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Substanzrisiken
- Schäden durch unsachgemäße Lagerung
- Erhöhtes Risiko während des Ein- und Auslagerns
- Diebstahl von fertigen Erzeugnissen
Risikomanagement
Ziel der Lagerhaltung ist es, diese Risiken durch geeignete organisatorische Maßnahmen so gering wie möglich zu halten.
5. Lagerkennziffern
Zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Lagerhaltung werden verschiedene Kennziffern verwendet:
5.1 Durchschnittlicher Lagerbestand (ØLB)
- Gibt an, wie hoch der Lagerbestand in einem Zeitraum durchschnittlich ist
- Je höher der durchschnittliche Lagerbestand, desto geringer die Wirtschaftlichkeit der Lagerhaltung
5.2 Umschlagshäufigkeit (UH)
- Gibt an, wie häufig der ØLB in einem Jahr umgesetzt wurde
- Berechnung:
- Je höher die Umschlagshäufigkeit, desto höher die Wirtschaftlichkeit der Lagerhaltung
5.3 Durchschnittliche Lagerdauer (ØLD)
- Gibt an, wie lange die Waren durchschnittlich im Lager liegen
- Berechnung:
- Je höher die durchschnittliche Lagerdauer, desto geringer die Wirtschaftlichkeit
5.4 Lagerzinssatz (LZS)
- Gibt den kalkulatorischen Zinsverlust (in %) durch das in den Lagerbeständen gebundene Kapital an
- Berechnung:
- Je höher der Lagerzinssatz, desto geringer ist die Wirtschaftlichkeit
5.5 Lagerzinsen (LZ)
- Das Gleiche wie Lagerzinssatz, aber in Euro ausgedrückt
- Berechnung:
- Je höher die Lagerzinsen, desto niedriger die Wirtschaftlichkeit
Wirtschaftlichkeit
Alle Lagerkennziffern dienen der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Lagerhaltung. Eine Optimierung dieser Kennzahlen muss jedoch immer im Kontext der Unternehmensziele erfolgen.
Quellen 📚
- Lehrbuch Kapitel 7 Lagerhaltung 🖖
Aufgaben 📝
Lagerkennziffern berechnen und Lagerhaltung organisieren
Lösungen 📝
Weitere Aufgaben 📝
Prüfungsaufgabe 2019: Lagerkennziffern
Die Baumaschinen und Werkzeug GmbH (WBM GmbH) vermietet Baumaschinen und Werkzeuge für den Hoch- und Tiefbau.
Die WBM GmbH verkauft, als Ergänzung zu den Baumaschinen und Werkzeugen, auch Verbrauchsmaterialien, wie z.B. Bohrer, Schleifpapiere, Sägeblätter und ähnliches. Die Geschäftsleitung strebt an, die Lagerhaltung aller Artikel wirtschaftlicher zu gestalten und fordert eine Auswertung der Lagerdaten an.
2.1 Ein Lager verursacht Fixkosten und variable Kosten. Nennen Sie für diese beiden Kategorien jeweils ein konkretes Kostenbeispiel. (2 BE)
2.2 Berechnen Sie den durchschnittlichen Lagerbestand, die Umschlagshäufigkeit und die durchschnittliche Lagerdauer für Holzbohrer 7mm (Material 1). (3 BE)
2.3 Die Umschlagshäufigkeit des Verbrauchsmaterials Schleifpapier beträgt 2. Erläutern Sie den Begriff Umschlagshäufigkeit und vergleichen Sie anhand dieser Lagerkennziffer die Wirtschaftlichkeit der Lagerhaltung beider Artikel. (4 BE)
2.4 Die bevorrateten Verbrauchsmaterialien binden Kapital. Erklären Sie den Begriff Kapitalbindung. (2 BE)
2.5 Die Geschäftsführung kalkuliert mit einem durchschnittlichen Kapitalmarktzins von 0,5%. Berechnen Sie den Lagerzinssatz für den Holzbohrer 7mm. (2 BE)
Lösungen Prüfungsaufgaben 📝
Weitere Übungsaufgaben
1. Wie hoch ist der Jahresverbrauch, wenn Waren im Wert von durchschnittlich 300.000,00 € gelagert sind und die Lagerdauer mit ca. 20 Tagen angegeben wird?
2. Ein Farbenhersteller ermittelt für eine Lackfarbe einen Jahresverbrauch von 30.000 Litern. Die Lagerdauer liegt bei 15 Tagen. Wie hoch ist der durchschnittliche Lagerbestand?
3. Eine Nudelfabrik ermittelt einen Lagerzinssatz von 0,5 %. Dabei geht die Kalkulation von einem Jahreszinssatz von 12 % aus. Mit welcher durchschnittlichen Lagerdauer wird hier kalkuliert?
4. Der Lagerbestand an Schnürsenkeln in einer Schuhfabrik wird mit durchschnittlich 10.000,00 € angegeben. Wie viel Prozent müssen für den Lagerzinssatz angesetzt werden, wenn der Lagerbestand pro Jahr ca. 12-mal umgeschlagen wird und man von einem Marktzinssatz von 9 % ausgeht?
Lösungen zu den zusätzlichen Aufgaben 📝
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